Früher Siedlungsbau in Nord- und Südamerika

Von Sven Schirmer


Veröffentlicht am 2016-09-16


In den nordamerikanischen Bundesstaaten New Mexico und im Südwesten von Colorado findet sich noch heute eine einzigartige Baukultur, die Pueblos (span. für Dorf/Siedlung). Als die Spanier um 1539 zu den Puebloindianern vorstießen, dachten Sie reiche Städte vorzufinden. Tatsächlich waren die Puebloindianer ein friedlebender landwirtschaftlich geprägter sesshafter Indianerstamm, es waren die Nachfahren der Anasazi-Indianer, welche die bekannten Cliff-Dwellings (ca. 1100 n. Chr.) und die großen Wohnhäuser im Chaco Canyon (ab ca. 900 n. Chr.) errichtet haben. Bei den Cliff Dwellings handelt es sich um steinerende Siedlungen, die in geschützte Felsenhöhlungen oder unter Felsüberhänge gebaut wurden. Diese Siedlungen waren nach Süden ausgerichtet, so dass im Winter die tief stehende Sonne die Bauten erwärmen konnte, im Sommer sorgte der Felsüberhang für kühlenden Schatten. Es handelt sich somit um frühe Solarsiedlungen.

Nach dem plötzlichen Untergang dieser Kultur sind die Nachfahren in die Tiefebene des Rio Grande ausgewandert und haben die noch heute bewohnten Pueblodörfer geschaffen.
Bei den Pueblo-Siedlungen handelt es sich um Lehmziegelgebäude mit genutzten Flachdächern, ebenfalls aus Lehm errichtet auf einer Holzunterkonstruktion. Die Dächer sind nur über hölzerne Leitern zu erreichen und werden von allen Bewohnern gemeinschaftlich genutzt. Die Häuser bestehen aus einzelnen Räumen, die additiv erweitert oder rückgebaut werden können je nach Anzahl der Bewohner. Somit handelt es sich um Geschoss- oder Reihenhäuser. Bauen war eine Gemeinschaftsaufgabe.

Städtebaulich sind die Pueblos klar gegliedert, man kann diese in vier Grund-Siedlungsformen einteilen. Man unterscheidet die Siedlungsformen in den Platz- und den Straßentyp oder eine Mischung aus beiden. In Taos besteht der Pueblo aus zwei mächtigen bis zu 5-geschossigen terrassierten Gebäuden, die sich beidseitig um den Taos-River gruppieren.

Durch den spanischen Einfluss hat sich die Grundform der Pueblos nicht verändert, aber Elemente wie Fenster und Türen wurden eingeführt. Sichtbares Zeichen der spanischen Eroberung sind die Kirchenbauten, diese stehen in der Regel neben den Siedlungen. Bis heute beeindrucken diese eigenständigen Lehmsiedlungsformen und ziehen die Besucher in Ihren Bann. Aber die entscheidende Lehre aus den Pueblos ist der additive Charakter der Wohnräume je nach Bedarf und die weiche und nachhaltige Technologie der verwendeten Baustoffe.

Die heutigen lateinamerikanischen und zum Teil nordamerikanischen Städte weisen als Stadtstruktur den spanischen Einfluss in der Stadtgründung auf. Diese ersten spanischen Städte aus dem 16. Jahrhundert auf den neuen Kontinenten sind Neugründungen, wenn auch manchmal auf den Ruinen der Urbevölkerung.
Die spanische Kolonialstadt folgte einem Idealbild und einem bestimmten Strukturschema. Dieses beinhaltete ordnungstechnische Grundlagen und militärische Aspekte. Die Städte folgten einem geometrischen Muster, gebildet aus Blockgrundgrundstücken mit quadratischem Grundriss und rechtwinkligen Straßensystem. Die Blockgrundstücke, genannt Manzanas oder Cuadras, hatten Seitenlängen von ca. 100 x 100 m. Dieses System ähnelt dem hippodamischen Ordnungssystem. Im Gegensatz zu den griechischen Vorbildern hatte die spanische Kolonialstadt ein definiertes Zentrum, von dem die Stadt nach außen sich entwickelte. Das Zentrum wurde durch einen Platz gebildet, die Plaza (span. Platz). Dieser diente als Marktplatz aber auch als militärischer Aufmarsch- und Exerzierplatz. Um diesen Platz wurden die wichtigsten Verwaltungs- und religiösen Bauten errichtet, das Regierungsgebäude, die Verwaltung, das Rathaus, das Gericht, die Kirche oder Dom mit anschließendem Kloster. Oftmals waren die Gebäude so angelegt, dass mit geringem Aufwand die Zugänge zur Plaza verschlossen werden konnten, so konnte das Stadtzentrum gut verteidigt werden. Die Städte wiesen ansonsten keine Verteidigungsmauern auf.
Erst nach diesen zentralen öffentlichen Bauten folgten die Wohnhäuser, wobei die Zentrumnahen Grundstücke den wohlhabenden Bürgern vorbehalten waren, die ärmeren wohnten in den Stadtrandgebieten. Die spanischen Städte wiesen also ein starkes soziales Gefälle auf. Die Cuadras waren und sind auch noch heute dicht bebaut.

Interessant ist auch die Bauweise in den spanischen Stadtgründungen in Nord- und Südamerika:
Die öffentlichen Bauten wie Klöster und Kirchen in den Städten wurden aus Naturstein erbaut, auf dem Lande und in kleinen Siedlungen bestanden diese aus Lehmsteinen. Die Regierungsgebäude und Wohnhäuser wurden ebenfalls aus Lehmsteinen errichtet, da sowohl in den nordamerikanischen Prärien als auch im südamerikanischen Hochland Holz knapp war, das heißt die Steine wurden nicht gebrannt. Holz wurde nur für die Deckenkonstruktionen verwendet. Schöne Beispiele finden sich noch in Santa Fe - New Mexico, Cuzco - Peru, Villa de Leyva – Kolumbien und andere mehr.

Anderer Kontinent, andere Stadtgeschichte. In Nord- und Südamerika gibt es mehr als nur die berühmten Bauwerke der Maya´s, Aztekten oder Inka´s zu entdecken. Traditionelles Bauen hat auch hier mit lokalen und verfügbaren Baustoffen zu tun. Insbesondere der spanische Einfluss auf den Städtebau hat bis heute nichts an seiner Funktionalität und Formensprache verloren, schönstes Beispiel der Grid (Raster Grundriss) von New York. Weiteres zu diesen Themen finden Sie in der Publikation „Der ökologische Plan B“.

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